vier sind mal welt

WELTREISE ALS FAMILIE – UND DANACH?

Zehn Tage sind wir nun wieder zu Hause. – Und wie fühlt sich das an? Das werden wir immer wieder gefragt. Hier der kurze und wahrscheinlich klägliche Versuch einer Antwort. Denn es ist ziemlich schwer, den aktuellen Aggregatzustand zu beschreiben. Wir sortieren noch in unserem Kopf das Erlebte. Und das dauert… Hamburg empfängt uns wie immer, wenn wir in Hamburg landen, egal ob im Dezember, Mai oder August, mit Nieselregen und 15 Grad. Bei Nieselregen und 15 Grad haben wir die Stadt Anfang Dezember verlassen, bei Nieselregen und exakt 15 Grad kommen wir Mitte Mai wieder an. Die Mädchen sind begeistert. Wieder zu Hause! Freunde empfangen uns gleich nach der Landung zum Frühstück. Große Wiedersehensfreude bei allen! Die Mädels stürzen sich fast auf ihre Freundinnen. Der Postberg zu Hause ist riesig. Muss warten. Unzählige Kartons mit Privatdingen und Klamotten warten allerdings auch auf dem Boden. Die Wohnung leer und ausgekühlt. Aber, ach wie rührend: Blumen, Sekt und Naschereien haben uns Freunde zur Begrüßung vor die Tür gestellt oder gleich selbst vorbei gebracht. In New York lagen wir noch einen Tag zuvor bei 28 Grad und knallblauem Himmel auf dem Rasen im Central Park. Hier zieht Eiseskälte durch die Straßen, die Menschen laufen genauso dick vermummt herum, wie wir sie verlassen haben. Und haben ihre Winterklamotten anscheinend durchgehend fünf Monate über getragen, mit ein paar wenigen Tagen des Frohlockens und Hoffens auf den Frühling. Das Wetter, ok, kennt man in diesen Breitengraden. kann man nicht ändern, war schon immer so. Aber warum blicken alle so verdammt ernst? Warum wird gemeckert, gedrängelt, geraunzt? Warum steht keiner auf, als wir mit den Mädchen eine längere Strecke U-Bahn fahren? Ist nicht schlimm, wir stehen gerne, kein Problem. Aber in New York erhoben sich jedes Mal gleich mehrere Menschen, sobald wir die Subway betraten, lächelnd (!) und boten uns ihren Platz an. Normal? Normal. Dort. In der Welt, die wir gesehen haben. Hier irgendwie nicht. es grünt so grün...sieht nach Frühling aus, für ein paar Minuten Wir fahren in unsere Datsche. Hängematte raus, ein kleiner Frühlingsmoment. Tut gut. Am Abend erklingen aus der Nachbarschaft Nazilieder: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ krakeelt es aus mehreren Kehlen. Und dann hören wir den Hitlergruß. Ich versuche mich irgendwie zu beherrschen, nicht zu heulen, schaffe es aber nicht. Hoffe, die Kinder merken nichts. Denke an Nepal. An Südafrika, An Kambodscha. Tausend Bilder kommen hoch. Wo sind wir gelandet? Hier leben wir? Das geht uns in den ersten Tagen durch den Kopf. Wir sind sehr still. – Freunde sehen. Große Freude. Heimat. Neuigkeiten erfahren. Bei einigen Freunden ist viel passiert und ihnen kam unser Fortsein denn auch wie eine kleine Ewigkeit vor. Für uns selbst verging die Zeit sehr langsam. Weil wir so viel erlebt haben, kein Tag war wie der andere. Ein Tag manchmal gefühlt wie eine Woche. Es kommt uns vor, als seien wir ein Jahr fort gewesen. Und noch sind wir nicht ganz wieder hier. Körperlich schon, aber geistig – oft noch ganz weit weg. _DSC9660 In Nepal. Immer wieder. Jeden Tag. Die Häuser die wir gesehen haben und in denen wir gewohnt haben, stehen nicht mehr. Das wissen wir jetzt. Ob die Menschen, die wir kennen gelernt haben, noch leben? Wir wissen es nicht. Würde mich am liebsten beamen nach Nepal, um irgendwas Sinnvolles vor Ort zu tun, aber ich sitze hier trocken auf dem Sofa. Betrachte den Elefanten und den lachenden Buddha aus Kathmandu… Wr tragen weiterhin unsere Hosen von dort und aus Pokhara und versuchen, mit dem Fotografen aus Nagarkot in Kontakt zu kommen. Die Welt zu Hause..._DSC9658Die Souvenirs liegen noch immer auf dem Esstisch. Nach und nach werden wir die Bilder rahmen lassen, und die Andenken verteilen. Wir denken an die Begegnungen in Südafrika, die großartige Landschaft dort und an die vielen Tiere, die wir gesehen haben. Auch die Mädchen sprechen sehr oft darüber. Noch häufiger allerdings von Nepal und Indien. Und Neuseeland! Immer wieder Neuseeland. Wir denken an unser Haus am Meer, an die fantastische Landschaft, aber vor allem an die Herzlichkeit und den Humor der Menschen dort und ich freue mich über jedes Souvenir. Der Schaf-Topflappen bekommt einen Ehrenplatz. _DSC9664_DSC9657Wir denken an die Cook Islands, an die fröhlichen Menschen, reden oft von Mister Hopeless, dem singenden Busfahrer und sind sehr sehr dankbar, dass wir ein Stück vom Paradies sehen durften. _DSC9667_DSC9665_DSC9668Wir denken an die Wüsten in den USA, unsere Lagerfeuer, unseren Roadtripp  und das Haus am See in Kanada. Und an New York, hach, New York. Sowieso. Immer wieder. Aber vor allem denken wir an die vielen großartigen Menschen, die wir kennen lernen durften. Heute kam ein älterer Herr mit schlohweißen Haaren an unserem Haus vorbei, der seine Einkaufstasche schleppte. Ich fragte, ob ich seine Tüte nach Hause tragen kann, doch er winkte lachend ab: „Nee, Mädchen, geht schon. Sonst komm ich noch in Versuchung, Dich zu tragen.“ Ach ja, Hamburger Humor. Da war doch was… Und wir? Feiern Wiedersehen mit den Freunden und versuchen uns hier irgendwie wieder einzugrooven. Die Frau aus dem kleinen, netten Blumenladen, in dem ich nach fünf Monaten heute wieder war, erkannte mich zunächst nicht. Musste zweimal gucken und fragte dann: „Du siehst irgendwie verändert aus. Was hast Du de ganze Zeit gemacht, wo warst Du eigentlich?“ Tja. Wo war ich. In der Welt. In der großartigen, fantastischen Welt. Zusammen mit den Menschen, die mein Zuhause sind, meine Familie. Das ist wohl Glück und mit das Schönste, das man erleben darf. Ich lese jetzt alle Bücher noch einmal, die mich so fasziniert haben während der Reise, Andreas Altmann ist darunter und mein Hero, der beste Autor des Universums (ok, neben TC Boyle, Paul Auster und Margaret Atwood…): David Foster Wallace. DER konnte schreiben, zum niederknien. Das ist Kunst. Das ist Welt! (Ja Katrin, da ist es wieder und noch einmal in diesem Blog, Dein/unser Wort! Welt!). Und ich versuche, das Erlebte irgendwie in einem Buch zusammen zu fassen. Große Herausforderung. Wahnsinnsaufgabe. Ich freue mich darauf. Auch das, ein Geschenk. Wir laden jetzt die mehreren tausend Fotos und die 100 Filmchen, die ich während der Reise gedreht habe und sortieren das Ganze. Ich freue mich auch auf die nächsten Filmprojekte, und überhaupt, die Arbeit. Genauso wie Frank. Auch das, ein großes Glück, das machen zu dürfen, was einem Spaß macht, das wissen wir sehr zu schätzen. Und wir sind jeden Tag dankbar, dass wir diese Reise machen konnten. Das Bild von meinen Eltern habe ich als Erstes aufgestellt…ohne sie hätten wir diese Reise wohl nicht gemacht. Nur die Menschen hier im Norden, die könnten noch ein bisschen fröhlicher sein. Und das Wetter? – Schwamm drüber.

3 Gedanken zu “Zurück in… tja, wo eigentlich?

  1. Liebe Bettina,
    ich weiß gar nicht so recht wie ich beginnen soll. Vielleicht mit dem Wichstigsten: Vielen vielen Dank für Dein und Euer Buch!
    Warum? Wir waren auch von September 2014 bis April 2015 mit unserem damals einjährigen Sohn Jonas auf Weltreise.
    Gut. Diesen Schritt gehen heute inzwischen recht viele Familien, was toll ist. Entsprechend viele Bücher und Blogs hatten wir vorab zu unserer Reise verschlungen, als Inspiration, Ermutigung und Information genutzt. Wie auch ihr, mussten wir im Anschluss an die große Reise alles sacken lassen. Der Alltag war eingekehrt und das Leben ging anscheinend in „normalen“ Bahnen weiter.
    Es ist im Anschluss so viel passiert – auch mit uns als Familie- und ich bin durch Zufall auf das Buch zu eurer Reise gestoßen. Zuerst dachte ich: ach schön, ein neues Weltreisebuch mit Familie – aber vieles wiederholt sich ja dann doch und viele Erkenntnisse des Reisens mit Familie werden sich sicherlich gleich sein wie in anderen Büchern.
    Aber dann habe ich das Inhaltsverzeichnis durchgesehen und ich habe Gänsehaut bekommen: Waren doch so viele Ziele und die Zeit so gleich und ich habe im zweiten Anlauf Dein Buch mit nach Hause genommen, nachdem ich die Bilder gesehen habe, die unseren so ähnlich waren und mich schlagartig wieder zurück auf unsere Reise holten. Ausschlaggebend waren wohl die Bilder der Dachterrasse in Nagarkot/ Nepal. Hier meine konfusen Gedanken, verzeiht!
    Ich habe mit dem Lesen begonnen, um eine Beschreibung der Orte unserer Reise in anderer Reihenfolge und anderer neuer Perspektive zu erleben. Größer war meine Erwartung zunächst nicht. Statt Vanuatu unserer Reise waren es bei euch die Cook Islands. Aber selbst das war sehr ähnlich. Aber es kam ganz anders:
    Dafür danke ich Dir – eine Spiegelung unserer Gedanken zu bekommen, die ich beinahe schon vergessen hatte. Die Tatsache, mit Abstand die Bedeutung der Ereignisse zur Zeit der Reise einordnen zu können. Auch wir waren in Katmandu und waren in tiefer Trauer als wir kurz nach unserer Rückkehr vom Erdbeben erfuhren und machten uns Sorgen um die lieben und besonderen Menschen, die wir dort kennen gelernt hatten. Inzwischen haben wir unserer Rückkehr nach Deutschland eine sehr liebe Babysitterin aus Katmandu, die nun erstmals im Februar 2017 ihrer Familie besucht und die Stadt nach den Beben gesehen hat (wir warten noch auf ihren Bericht dazu). Hinzu kam bei uns der Zyklon über Vanuatu, der die Insel kurz nach unserem Besuch völlig verwüstet hatte. Und traurige Nachrichten zu einem Paar, das uns auf der Reise in Bali begegnet war und wir bei unserer Rückkehr nur wenige Monate später erfahren mussten, dass sie aufgrund einer Krebserkrankung ganz plötzlich verstorben war.
    Und auch Ja, ich hatte genau die gleichen Gedanken nach dem Absturz der Air Asia und auch der German Wings während unserer Reise – dies war ein großer wichtiger Gedanke während eines jeden Fluges der weiteren Reise. Und es waren schließlich viele Flüge!
    Auch die Momente während der Reise, in denen man feststellt, nie allein mit sich selbst sein zu können – vielen Dank für diese Ehrlichkeit – uns ging es am ein oder anderen Ort der Welt genauso, wenngleich auch jeder Moment gemeinsam eine Bereicherung war : es ist so befreiend, mit diesen Gedanken nicht allein zu sein. Und das schmälert das Erlebnis der Reise überhaupt nicht! Das ist einfach auch ein wichtiger Aspekt einer Familienreise um die Welt!
    Ich wurde immer neugieriger, wie eure Eindrücke an den Orten waren, die wir auch besuchten, zur nahezu gleichen Zeit beschrieben zu bekommen. Der Zeitgeist war auch Teil der Reise – das war mir bislang nicht bewusst.
    Als Deine Beschreibung eurer Reise in Neuseeland begann, wurde ich ganz unruhig und ich fing an wie wild nach vorne zu blättern. Ich ahnte, dass es eine weitere Parallele gab: Unser persönlicher besonderer Ort war die Hopewell Lodge bei Mike und Linley- beide haben uns an einem Tiefpunkt unserer Reise gerettet und uns geholfen uns wieder zu sammeln. Unser Sohn hat auf der Lodge begonnen zu Laufen. Und während des Lesens hatte ich die Ahnung: Mensch- vielleicht waren sie dort auch. Ich war gar nicht überrascht, sondern es war einfach klar als ich die Stelle im Buch gefunden hatte! Und ich hatte dennoch Tränen in den Augen als ich es gelesen habe.
    Danke auch für Deine Beschreibung “nach der Reise“. All diese Gedanken kenne ich. Teilweise hatten wir die Gedanken nicht einmal bewusst zugelassen und niemals nieder geschrieben und es ist toll, das nun endlich tun zu können. Der Alltag hatte uns überholt.
    Auch wir haben Teile der Reise (Bali und Kanada im Campervan) im Nachgang nochmals quasi fortgesetzt.. Das war toll – und das Dengue Fieber holte mich leider ein. Bei der letzten Reise der Jetlag und zeigte uns, dass das Tempo und die Neugier nicht alles sind. Wir sind gleichermaßen reisemüde und bereits wieder im Aufbruch: Bereits nach der Reise sagten wir: das machen wir nochmal. Anders, aber noch einmal. Aber diese Abrundung, die ich durch Deine Beschreibung erhalten habe, die half. Und es gehört auch dazu, unsere Reisemüdigkeit und die Anstrengung einer so langen Reise zu sehen – trotz der tollen Eindrücke!
    Am Wochenende waren wir wie jedes Jahr auf der ITB – und obwohl wir derzeit so reisemüde wie nie einerseits sind, ist uns doch klar: wir werden nach einer Pause noch einmal aufbrechen. Anders als beim ersten Mal aber wir werden es tun. Irgendwann. Vielleicht bald.

    Danke danke danke für Deine / eure Gedanken und Danke dafür, unsere Reise durch eure nochmals erleben zu dürfen und sie nochmals mit anderen Augen zu sehen.
    Habt weiterhin viel Freude beim weiteren Reisen – wohin auch immer es euch führt!
    Alles Liebe, Nicole –Thomas und Jonas!

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    1. Liebe Nicole, danke für den schönen Kommentar; es ist wirklich unglaublich, dass wir an denselben Orten waren! Ich bekomme einige Mails von Weltreisenden, die Ähnliches empfinden beim Lesen des Buches, das ist toll! In der „Hopewell Lodge“ hatten wir uns sehr wohl gefühlt, und ich denke noch oft daran zurück. Diese ‚flash backs‘, das Aufblitzen intensiver Momente der Reise sind tatsächlich häufig und sehr schön. Etwas, das man für immer behält, glaube ich. Aber es sind noch viele andere Veränderungen und Dinge, die eine Weltreise mit sich bringen, die man mit nach Hause nimmt und in sich trägt – da geht es uns wie Euch.
      Ich wünsche Euch noch viele schöne Reisen und viel Glück für Euren neuen Aufbruch! Bettina

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  2. Andreas sagt:

    Das Leben ist wie es ist und das Beste daraus zu machen, ist eine Herausforderung.
    Ihr habt einen guten Teil dazu beigetragen <3

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