Diese Stille. Wenn Luft ein Geräusch machen würde, hier würde man es hören. (Und dabei weiß ich als ehemalige Radiotante natürlich, dass auch Luft eine Atmo hat, bzw. eine ist. Um ein bisschen zu schlaumeiern…). Wir also im Land der stillen Atmo. Und der totalen Entspannung. Kanada. Welten von den USA entfernt. Mental zumindest. Und doch sind wir nur ein paar Meilen bis zur Grenze gefahren. bzw. kutschiert worden, denn wir hatten eine Fahrerin, die uns nach Abgabe des Campervans an einer Gott verlassenen Grenze in Nordamerika in einer Limousine nach Vancouver gefahren hat. Ist im Preis der Campermiete mit enthalten. Die ist dafür aber auch so hoch…aber das Thema hatte ich ja schon. Leider ging mal wieder alles schief, um es kurz zu machen: es kam zunächst weder Fahrer noch Fahrerin. Denn der oder die war bereits gestern da. Diese klitzekleinen Verwechslungen in Ort und Datum sind bei der Verleihfirma üblich und im Preis mit drin. Sonst wird so eine Reise ja auch langweilig. Wir also in der Pampa und nur eine Person zu sehen. Nicht der Fahrer, sondern ein Mensch der Verleihfirma. Der aber nicht fährt, sondrn sich um Verträge kümmert. Und sich und uns auch keinen Fahrer schnitzen konnte. Sondern viel rumtelefonierte. Und der uns, wie schon so viele Interessierte zuvor, auf unsere zwei Ukulelen ansprach. Und dann total in Fahrt kam und ins Schwärmen. Wie wunderbar dieses Instrument doch sei, dass er es so gerne spielen würde und immer einen Hawaianer hört, der so gut Ukulele spielt, dass es einem die Schuhe auszieht. Der Musik begeisterte Angestellte von der El Monte Campervanvermietung redete sich in Fahrt: „it’s amazing! You have to hear this!“ Und dann lief er kurz weg, holte ein mobiles Endgerät und zeigte uns ein you tube Video. So standen wir also in der Einöde von Nordamerika, in the middle of nowhere, warteten auf irgend jemanden, der uns irgendwie zum Flughafen nach Vancouver und unserem Mietwagen bringt und lauschten Jim Morrison, gespielt auf einer hawainischen Ukulele. Wenn uns nur die Zeit nicht so im Nacken gesessen hätte, denn wir wollten und mussten eine bestimmte Fähre von Vancouver nach Vancouver Island kriegen – wir hätten mit dem netten Herren gerne Ukulelestunden genommen und ein Bierchen getrunken.
(Anmerkung: durch ein Update ist Blog Pad Pro, das Programm mit dem ich sonst immer den blog bearbeitet habe, nicht mehr zu öffnen. Apple arbeitet daran, heißt es. Ich arbeite jetzt mit einem Notprogramm, bei dem ich die Fotos nicht mehr in den Text stellen kann. Und platzieren wie ich möchte. Sorry! Das wird wohl weiterhin und bis zum Ende der Reise so bleiben. Für die Interessierten: Fotos dieser Situation und weitere Bilder stelle ich später in die Galerie. Die Fotos aus dem Beitrag „Vier in der Wüste“ waren auch zerschossen, ich habe einige wieder rein gestellt, so gut es jetzt eben geht)..
Irgendwann kam eine Limousine. Großer Jubel. Kurz darauf stellte sich heraus: leider die falsche. Die Dame durfte nicht mit uns über die Gremze fahren. Also weiterfahren. Wir sahen unsere Fähre schon abfahren und uns nachts in unserem Haus am See ankommen und nach dem Schlüssel suchen, der im Garten versteckt sein sollte. Also noch weitere Videos vom Hawaianer und der Ukulele. Ein Zeichen sicher, dass wir üben sollen, um endlich auch Ukulele spielen zu können. Dann endlich kam die Fahrerin. Und erzählte uns während der Fahrt nach Vancouver aufregende Geschichten von Grenzkontrollen. Für die Fähre wurde es knapp. Sehr knapp. Mietwagen abholen, Sachen reinstopfen und los. Gegen den Campervan nahm sich der Ford Fiesta wie ein Rennwagen aus. Trotzdem – viel zu spät erreichten wir die Fähre. Die Frau am Ticketcounter wies uns darauf hin, dass unsere Reservierung verfallen sei und wir wohl nicht mehr drauf kämen. Sie würde es aber noch versuchen. Wir stellten uns ganz links in die Schlange. In die Reihe der Looser und Zuspätkommer. Die rechten Reihen fuhren ein Auto nach dem anderen auf die Fähre. Wir verfolgten es mit Argusaugen. Und seufzten bei jedem Auto: „Haben die’s gut. Die kommen mit.“ Dann hätte unsere Reihe dran sein sollen. Doch ein Mann sperrte ab. Ich war fix und fertig. Wir würden im spät abends im Dunkeln das Haus erreichen. Könnten nichts mehr einkaufen. Und müssten jetzt zwei bis drei Stunden auf einem windigen Parkplatz warten. Kein Café, nichts. Wir waren total still. Und nieder geschmettert. Vor uns bewegten sich einige Autos. Und fuhren auf einer unteren Ebene auf die Fähre. Hatten die ein Glück! Wir rollten langsam weiter. Und weiter. Antonia und Helen ballten die Fäuste und beteten förmlich, dass wir auf die Fähre und danach in „unser“ Haus können. Wir waren alle fertig. Die letzten Tage waren extrem anstrengend, doch dazu mehr an anderer Stelle. Wir wollten in das Haus, das ich ausgesucht hatte, weil es direkt an einem See liegt, mit eigenem Bootssteg, Holzdeck, vielen Spielen, Feuerstelle, Grill, Kuschelsofa und mitten in der Natur. Da wollten wir alle hin. Und hatten uns ausdrücklich für die ersten Tage gegen Vancouver City entschieden. Die City kommt später. Erstmal weiterhin: Natur. Aber zunächst: Parkplatz. Das nächste Auto rollte auf die Fähre. Wir schwiegen. Und beobachteten die uniformierten Männer. Wann würden sie den Arm heben zum Stop-Zeichen? Und dann – waren wir drin. Ich glaube, noch nie haben wir uns so gefreut, auf einer Fähre zu sein. Wir schrien vor Freude und sangen. Das Lied von Peter Fox, das Antonia auswendig kann, vom Haus am See.
Und nun sind wir also hier. In einem alten Haus aus Holz, mit zwei kleinen Schlafzimmern unterm Dach, wobei das eine bodentiefe Fenster hat, die auf den See ausgerichtet sind. Mit einer offenen Küche, natürlich mit Blick zum See. Mit Kajaks und einem Ruderboot nebst Rettungswesten und einer Angelausrüstung. Frank hat sofort beschlossen: „und morgen früh wird geangelt.“ Äh, klar. Machen wir. Was aber mit dem Fisch tun, der an der Angel hängt? Wer nimmt die Bierflasche und…also, das diskutieren wir noch. Frank macht als erstes das, was ein Mann tun muss, weil es offenbar genetisch verankert in der Gattung Mann, wenn er an einem Haus ankommt, das in freier Natur und an einem großen See liegt, er macht ein Feuer. Und kommt freudig strahlend ins Haus. Das Feuer sei fertig. Leider können seine Mädchen zunächst die Begeisterung nicht so recht teilen, denn als er fragt: „Wer kommt raus?“, kommt von den beiden nur: „Ich nicht. Ich bin beschäftigt.“ – „Ich auch nicht. Muss den Stall zu Ende bauen.“ Antonia und Helen haben Holzbauklötze entdeckt. Und diverse Spiele wie Monopoli, Jenga und viele Comics. Und ich blättere in den unzähligen Zeitschriften und will mir eigentlich gerne in Ruhe die Fotos der Familie angucken, die an der Wand hängen, jener Familie, der das Haus gehört. Frank seufzt: „Hättet Ihr jetzt Karl, Klaus und Karsten geheißen, würdet Ihr begeistert aufschreien, toll, er hat ein Feuer gemacht, wir kommen!“ Natürlich sind wir alle raus. Sterne gucken, ins Feuer starren, auf Bootssteg setzen. Und aufs beleuchtete Haus gucken. Und einfach die Stille genießen. Und das Glück, in der Natur zu sein. Männer haben ja doch manchmal Recht. Wir haben anschließend Lachs von quasi vor der Haustür gegessen, direkt aus dem Pazifik aus dieser Gegend. Man darf keinerlei Lebensmittel draußen lassen, wegen der Bären. Auf dem Weg vom Fähranleger bis zum Haus (ca. 50km) haben wir übrigens keinen einzigen Laden gesehen. Müssen erst fragen, wo man hier einkauft. Und entdecken dann putzige Geschäfte, die aussehen wie aus einem Rosamunde Pilcher Film. Die Atmosphäre erinnert ein bisschen an Neuseeland. Auch das Auftreten der Kanadier. Hier zuckt niemand zusammen, wenn man ihn anspricht, wie wir es des öfteren in den USA erlebt haben, hier fragt auch bisher niemand, wie es uns hier denn gefällt wie in Australien. Im Supermarkt bedienen uns gut frisierte, fröhliche Herren mit grüner Schürze, Kravatte (!) und schwarz geputzten Schuhen. Wie aus einem Werbespot. Auch die Kassiereinnen wirken so fröhlich als hätten sie Drogen genommen. Und es wirkt nicht aufgesetzt. Man plaudert, kichert, lacht untereinander.
In den USA hatten wir übrigens ein recht skurilles Einkaufserlebnis: in Oregon gibt es fast an jeder Straßenecke kleine Holzhäuschen, um sich „Coffee to go“ abzuholen. Per Auto natürlich. Wir wollten mal gucken, welcher Kaffee dort angeboten wird und hielten vor einem rosa Häuschen. Frank wollte eigentlich Kaffee bestellen, brachte aber keinen Ton heraus. Denn trotz sechzehn Grad Außentemperatur arbeitete die junge Barista im Bikini. Als sei es das normalste der Welt. Und hatte einen Heizlüfter zu ihren Füßen. Die Kaffee-Häuschen stehen überall Im Norden der USA. Die Geschäfte scheinen gut zu laufen…
Auf dem weiten Weg nach Kanada sahen wir aber nicht nur skurille Kaffeehäuschen, sondern auch bizarre Küsten und vor allem die Giganten des Waldes, die größten Bäume der Erde. Die Redwoods sind so gewaltig vor allem in ihrer Gesamtheit, dass man sich dagegen wie ein Nichts fühlt, wie ein Pups im Weltall, wie Helen sagt. Bis zu 115 Meter hoch und bis zu dreitausend Jahre alt. Da war Jesus noch nicht mal geboren, da trampelten noch Dinosaurier durch die riesigen Redwoodwälder. Heute fahren Autos dadurch. Und selbst monströse SUV’s wirken wie Ameisen gegenüber den Baumriesen. Die Natur ist mächtiger als der Mensch. Das machen einem Orte wie diese so deutlich, so dass man nur leise um die Bäume herum schleicht – und schweigt.
Nun also im Haus am See. Mit großem Holzdeck auf dem Wasser. Bei Sonne nutzen wir das Deck zum Angeln (wir alle, aber vor allem Frank und Antonia), Mathe üben (Antonia), Holztürme und Schlösser bauen (Helen), Yoga (ich). Das Deck, der Garten und der Blick vom Bett auf den See ist so schön, dass ich heute um kurz nach sieben Uhr aufstehen musste und raus aufs Deck, in die Morgensonne. Frank kam mit zwei Kaffeebechern hinterher. Die Mädels schliefen noch. Dieses Haus am See erinnert uns an das Haus in Neuseeland, das wir bewohnen durften. Man möchte nie mehr Lärm und Großstadt und Hektik haben, wenn man so wohnen kann. Nicht in der Nähe eines Sees, sondern direkt am Wasser, mit Blick darauf. Und die Nachbarn nicht zu sehen. Nur vom Deck aus zu erahnen. Das ist schöner wohnen in Reinkultur. Die wir für ganz kurze Zeit genießen dürfen. Nur einen Fisch, den haben wir noch nicht geangelt…
Denke viel an euch wegen des schlimmen erdbebens in Nepal… lasst es euch gutgehen. alles liebe, daggi
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Wir verfolgen die Meldungen von Anbeginn und sind völlig sprachlos. Nepal und die Menschen dort haben uns extrem beeindruckt. Die Orte, die wir alle gesehen und betreten haben, gibt es nicht mehr. Die Menschen, die wir kennen gelernt haben und mit denen wir ins Gespräch kamen, sind vielleicht sogar gestorben oder haben ihr Haus verloren. Und wir sind im sehr entspannten Vancouver und während wir die Gegend entdecken, in der Sonne sitzen und einkaufen, kämpfen die Menschen in Nepal gerade ums Überleben. Das ist alles sehr bizarr gerade. Die Mädchen wollen jetzt immer ihre Nepalhosen tragen (die wir in Kathmandu gekauft haben, in genau jenem Viertel, das am stärksten betroffen wurde)und wurden gestern viel darauf und das Erdbeben angesprochen. – See you soon!! xxx, Bettina
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Hab gerade echt mitgefiebert, dass ihr auf die Fähre kommt ;-) Vancouver Island war für mich das mächtigste Gewitter was ich je erlebt habe, ein Ungetüm im nächtlichen See (morgens stellte sich heraus, dass es nur ein Wasserlöschflugzeug war), das wunderbarste Licht am Strand, mit Gischt in der Luft und mein weitester Pass mit dem football ever! Dann noch viel Spass, auch Vancouver ist easy und Welten von der USA entfernt. Atmo Andreas
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