Es ist, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Tempo drosseln, Aufregung raus, Ansicht normalisieren, Lärm auf ein Minimum reduzieren.
Wir sind seit drei Tagen in Sydney und staunen. Darüber, wie normal diese Stadt ist, wie klein-(städtisch), wie ruhig, wie geordnet. Eine angenehme, nette Stadt, ohne Zweifel. Aber sie erscheint uns fast wie eine Stadt aus dem Miniatur-Wunderland (sagt Frank). Harmlos und nett (sage ich). Das wars, Danke und tschüss, sehr angenehm, aber wir können wieder gehen, wir wollen weiter.
Wahrscheinlich sind wir einfach versaut. Durch nichts mehr zu beeindrucken. Schuld sind Kapstadt, Delhi, Singapur, Kathmandu, Hanoi, die wir gerade bereist haben. Aber auch NY, Paris, Peking, Mexiko, San Franzisko, Neapel, Bangkok….Weltstädte, groß, zum Teil laut, zum Teil verdreckt, zum Teil abstoßend, rauh, aber auf jeden Fall derart anders als wir es von zu Hause kennen, dass die Städte etwas mit einem machen. Man emotional berührt wird, angefasst. Im Positiven wie im Negativen. In Sydney passiert, zumindest bei uns – nichts. Das muss es auch nicht, Sydney ist sicher ganz wunderbar zum leben, die Menschen sind sympathisch, man wird stets fröhlich mit „hey, guys“ angesprochen, die Läden schließen Punkt 18Uhr, manche um 17.30h, alle gehen in den wohl verdienten Feierabend, niemand, der zumindest nach außen hin aus dem Ruder läuft, alles in Maßen. Die Stadt tut einem nichts.

Innenstadt Sydney Australien
Die Hochhäuser nicht zu hoch, die Harbour Bridge neben dem Opera House ein hübsches Fotomotiv, nicht zu dramatisch, nicht zu gigantisch, einfach nett, der Botanische Garten lädt einen zum Verweilen auf dem Rasen ein, die Strände aus pudrigem Sand, das Essen teuer aber dafür ohne überraschende Ausfälle. Keine dauer-hupenden Motorräder, keine klingelnden Rikschas, keine Straßenverkäufer, keine Kühe oder Elefanten, die plötzlich die Straße überqueren, keine Wolkenkratzer und dunklen Straßenschluchten, keine engen Hinterhöfe und Gassen, keine sichtbare Armut, keine Garküchen und Gerüche auf der Straße, keine Staus, fast alles zu Fuß oder mit der Fähre erreichbar, kein Gedrängel und absolut keine Hektik, dafür Blumenkästen und Ampeln, an denen bei Rot angehalten wird.
Das ist alles ganz wunderbar, aber ich warte auf das eine Gefühl. Dieses einzigartige Gefühl, das eine Stadt schon bei der Ankunft auslösen kann. Wie Hanoi und seine Tempel, Garküchen, Handwerksbetriebe, Kühe und Ziegen auf der Straße.
Oder Paris. Wenn ich auf Paris zufahre von Hamburg aus, die Autobahn mehrspuriger wird, man schließlich und endlich auf der ewig verstopften Peripherique ist, dann irgendwann linkerhand in der Ferne ganz klein die Sacre Coeur auftaucht, dann hüpft mein Herz. Jedes Mal. Der Geruch von gebrannten Mandeln, das Schieben und Drängeln auf den Gehwegen, das Rücken der Stühle in den Cafes, das Zischen und Pfeifen der Espressomaschinen, das laute Klicken und Pfeifsignal der Metro, wenn die Türen schließen, die Trommler in den unterirdischen endlosen Gängen, die einen antreiben, noch schneller zu gehen, die unglaubliche Schönheit und Erhabenheit der alten Gebäude, vor allem nachts, illuminiert, die vielen Brücken, die immer neue Blicke auf die Stadt bieten, die alten Straßenlaternen, die vielen Treppen und Hinterhöfe und kleinen zum Teil dunklen Cafes, die französischen Laute, dieses Schnattern und Rollen und der harte S-Laut aber jeder Satz wie eine kleine Melodie, der Zigarettenduft, die vielen Parks mit ihren Skulpturen, Brunnen und geschwungenen Bänken, die breiten Boulevards, die auf enorme Plätze münden, der Duft von frisch gebackenem Baguette, die vielen Confiserien mit kleinen Petits Fours und Eclairs…
In Paris habe ich zwei Jahre gelebt, die Liebe zur Stadt ist geblieben (merkt man das etwa? Wirklich?), die Stadt war lange Zeit wie eine zweite Heimat. Mit New York geht es mir mittlerweile ganz ähnlich. Diese Stadt löst so viel aus! Und nun, neu hinzu gekommen, Kathmandu und Hanoi. Ich versuche, auch seitdem ich eine Familie habe, einmal im Jahr alleine in eine andere Stadt einzutauchen, zwei, drei oder mehrere Tage – nur die Stadt und ich. Meist dann, wenn Frank mit den Mädels bei seiner Familie ist. Dort bin ich sehr gerne, aber ab und zu auch mal sehr gerne für mich. Und um Hamburg neu zu entdecken oder eben eine andere Stadt. Herrlich! (Und Danke, liebe Familie, dass Ihr mich lasst).
So war ich schon mehrfach alleine in New York, in Prag bei meiner Freundin, in Stockholm, in Madrid, Rom, Barcelona und…ach, jede dieser Städte löst etwas aus. Sydney merkwürdigerweise nicht. Aber das kann Sydney ja egal sein, wie wir sie als Stadt finden. Es scheint eine sehr selbstbewusste Stadt zu sein, sagte man uns mehrfach, die steht da sicher drüber, wenn man sie nicht ganz so aufregend und sexy findet. Woran es liegt, darüber grübele ich immer noch ein bisschen.
Heute sind wir mit der Fähre nach Manly Beach gefahren, Surfer angucken und baden, obwohl sich irgendetwas Undefinierbares (Quallen?) im Wasser befand, das einen piekste. So schmerzhaft, dass Helen nicht mehr ins Wasser wollte und sogar Antonia irgendwann aufgab. Zum Glück blieb alles ruhig und es gab keine Hautreaktionen. Den ersten Tag in Sydney verbrachten wir jedoch im medical center. (Naja, einen halben Tag). Helen hat sich in Asien offenbar eine Infektion geholt, eine Stelle im Gesicht hat sich entzündet. Jetzt bekommt sie seit drei Tagen Antibiotika und die Entzündung zieht sich langsam zurück. Ansonsten ist alles gut gegangen und niemand ist krank geworden in Asien.
Wir dachten, die Kinder würden sich freuen, wieder frisches Eis essen zu können, sich die Zähne mit Leitungswasser zu putzen, Spielplätze zu haben..finden sie prima, aber es ist weniger wichtig als wir dachten. Obwohl wir hier privat wohnen, bei einem älteren, etwas zerstreuten, aber liebenswertem Ehepaar, mit dem wir morgens zusammen frühstücken, in Darlinghurst, einem sehr entspannten Viertel, mit kleinen Cafes und Bars (aber gibt es auch unentspannte Viertel hier? und obwohl unsere Vermieter einen Hund haben, den man streicheln darf, reden Antonia und Helen oft von Kambodscha. Und von Nepal und Kerala. Vielleicht, weil die Menschen dort so herzlich und offen waren, vielleicht, weil dort Elefanten, Kamele und Kühe auf der Straße rumliefen, vielleicht aber auch, weil wir dort so glücklich waren und weil alles so neu war. Antonia sagt immer noch grinsend den Satz: alles roger in Kambodscha und ich habe ihr versprochen, diesen mit einzubauen. Here it was! :)
Wir werden noch zum Bondi Beach fahren, weil er so gepriesen wird und sicher sehr schön ist, und uns danach mit dem Campervan (hurra!) Richtung Hinterland und zunächst in die Blue Mountains begeben. Dort ist es zwar kühler aufgrund der Höhe, aber das sind wir ja durch den Himalaya gewohnt..Dann zockeln wir langsam Richtung Brisbane und fahren dort irgendwo wieder an die Küste. Die Mädchen freuen sich schon auf ihre Kojen im Campervan und Frank und ich auf das Lagerfeuer am Abend und das Kochen während der Fahrt (nein, nein, aber vielleicht ein kleiner Kaffee zwischendurch? …).
Ich weiß jetzt, was mir an Sydney fehlt: die Sinnlichkeit. Dieser Rausch, den eine Stadt auslösen kann. Aber das macht nix. Ab und zu bodenständig und normal ist sicher sehr gesund. Wir sind hier sehr down to earth, sagen die Australier selbst von sich. Hey guys, wir sind dabei, gebt uns nur ein bisschen Zeit.
Hallo, hier mal ein Architekturtipp für Sydney. http://architecturenow.co.nz/articles/frank-gehrys-first-australian-building-opens-1/?utm_source=ArchitectureNow&utm_campaign=cd14056795-ArchitectureNow_41_10_July_2013&utm_medium=email&utm_term=0_7c089cf901-cd14056795-74425485
Ansonsten hört mal Bondi Beach radio im Internet stream ;-)
Lasst euch weiter schön chillen in Australien und Neuseeland (wird noch ruhiger). Bald werdet ihr die Ruhe auch wieder zu geniessen wissen.
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Liebe Bettina, ich glaube, ich muss mal nach Paris:-) aber was Sydney angeht. Da ging es mir mal genau so wie Euch.
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Lustig wie sich passend zum Bericht auch die Farben der Fotos verändert haben ;-)
Noch viele tolle Eindrücke und Erlebnisse!
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Ist mir auch schon aufgefallen. Es regnet hier immer mal wieder. Aber Vielleicht liegt es auch an der fehlenden Ozonschicht? :) (nicht ganz ernst gemeint). Liebe Grüße an die Alsterschwäne von uns, vir allem natürlich von Helen!
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