Der Flughafen von Siem Reap empfängt uns mit einem Schrein, Pagoden und schwüler Luft. Und einem Grenzbeamten in Uniform, der Frank beim Ausfüllen der Papiere „Tipp Tipp“ entgegen zischelt. Frank denkt, er hätte sich verhört, doch der Beamte wiederholt das Gesagte. Als Frank ablehnt, sortiert der Grenzbeamte betont langsam die Ausweisdokumente und meint, mit Blick auf seinen Computer, das Programm sei leider plötzlich abgestürzt und es würde seeeehr lange dauern…
Wir haben Zeit. Das haben wir mittlerweile gelernt: Hektik und Ungeduld machen alles nur noch schlimmer. Die Geduldigen kommen schneller ans Ziel. Also, ich übe noch, bin iregendwie bei Level eins stehen geblieben. Die Mädels und ich holen lieber schon mal das Gepäck, denn wir werden netterweise gleich durchgewunken, Frank hingegen wartet weiterhin auf die Einreisegenehmigung. Und wartet. Irgendwann, nach gefühlten Ewigkeiten und erhöhtem Blutdruck, bekommt er die Einreisestempel und unsere Ausweise zurück. Ob alles richtig abgestempelt wurde, no idea. Aber wir sind in Kambodscha! Endlich. Freuen uns sehr auf dieses Land.Obwohl wir es nur streifen und dabei nur die Haupttouristenattraktion sehen. Was heißt nur! Es ist eine der bedeutensten Orte der Welt. Sagt der Reiseführer. Ein Weltkulturerbe. Die bis zu 1000Jahre alten Tempel von Angkor, die mitten im Dschungel liegen.
Vor dem Flughafen wartet bereits unser Fahrer, Reet. Mit der Motorrad-Rikscha bringt er uns in die Stadt von Siem Reap. Langsam tuckern wir durch die schwüle Hitze, vorbei an Guesthouses, Hotels, Restaurants und Essensständen. Und wie überall in asiatischen Städten: das Leben spielt sich draußen ab. Bloß, dass in diesem Ort die Anzahl der Betten gemessen an der Einwohnerzahl extrem hoch ist. Die Tempel von Angkor ziehen Touristen aus der ganzen Welt an, ähnlich wie das Taj Mahal oder die ägyptischen Pyramiden.
Am nächsten Morgen kaufen wir einen Dreitagespass für Angkor. Und fahren erst einmal zum berühmtesten aller Tempel, zum Angkor Wat.
Reet, unser Fahrer wird uns auch die nächsten Tage begleiten.
Eigentlich wollten wir Fahrräder leihen, aber die Entfernungen zwischen den Tempeln sind zu groß, es gibt außerdem keine Kinderfahrräder und wir haben 32Grad im Schatten. Stattdessen kaufen wir uns lieber Hüte gegen die Glutsonne. Angkor hatte einst Ausmaße wie heute New York, es war eine Großstadt in der mehr als eine Milion Menschen lebten. Viele Mauern sind mittlerweile eingestürzt und die Tempel drohen zu verfallen, denn sie werden zu Tode geliebt, bestaunt und berührt von den Besuchern. Auch wir fassen die Steine an, die Kinder streichen staunend über die fantastischen Zeichnungen der Tempeltänzerinnen und immer wieder stellen sie sich in Pose und ahmen deren Positionen nach. Ein Spiel, das großen Spaß macht.
In Deutschland würde niemand auf die Idee kommen, Touristen durch ungesicherte Ruinen gehen zu lassen, bei denen man Gefahr läuft, jederzeit von einem hérbfallenden Koloss aus Stein erschlagen zu werden. In Deutschland herrschen insgesamt andere Sicherheitsvorkehrungen, die einem aus der Ferne betrachtet lächerlich erscheinen. Aber das ist ein anderes Thema.
Als wir unseren Fahrer fragen, welches Restaurant er uns empfehlen kann, wobei – Restaurant im Dschungel heißt nicht Restaurant wie in Deutschland bestehend aus Wänden, Küche und Speisesaal, die Restaurans in Angkor bestehen aus einer Zeltplane mit kleiner Kochstelle – Reep also lächelt und sagt: „Same Same.“ Als wir ihn fragen, ob wir lieber zuerst in östlicher Richtung fahren oder eine andere Strecke, wieder dieses Lächeln und: „Same Same.“
Er möchte, dass wir am liebsten jeden der ca 1000 Tempel und Dörfer sehen, bloss fehlt uns dafür die Zeit. Die Kambodschaner sind sehr stolz auf ihre Tempel. Zu Recht. Aber was sollen wir machen, das Gebiet ist einfach zu groß. Als wir sagten, wir würden ja gerne die große Tour machen, aber auf einige Anlagen verzichten, ist seine Antwort ein Schulterzucken: „Long Tour, no see.“ Nach einigem Hin-und Her einigen wir uns darauf, die für uns wichtigsten Tempel und Häuser anzufahren und seine Tour ein ganz klein bisschen abzukürzen. Daraufhin er: „Ok. Same same, but different.“
Frank und ich brechen am nächsten Morgen um 5Uhr zum Sonnenaufgang nach Angkor Wat auf. In einer Karavane von unzähligen Motorrad-Rikschas. Zusammen mit mehreren hundert anderen Angkor Bewundereren pilgern und stolpern wir im Stockdunklen zum Tempel. Man steht in Dreierreihen am See, baut Stative auf, verteidigt seinen Platz und wartet auf die Sonne. Frank und ich trinken derweil einen Kaffee und beobachten das Spektakel aus der Ferne. Die Szenen am Rande sind eh spannender als der Sonnenaufgang. Und das alles sogar ohne Verstecken spielen in den Ruinen oder Rollenspiele, denn die Mädchen sind ausnahmsweise mal nicht dabei.
Der Tempel „Ta Prohm“, von gigantischen Baumwurzeln überwucherte Ruinen, mitten im Dschungel gelegen, ist einer der beeindruckensten. Leider finden das auch andere, lustige Reisegruppen von Japanern zum Beispiel, die sich alle vor dem Angelina Jolie Baum fotografieren lassen, denn hier turnte Angelina Jolie im Film „Tomb Raider“ herum. Und was machen wir?
Posen auch. Naja…aber: sind wir nicht alle nur Menschen? – Eben.
Zum Glück kann man den Massen entgehen, wenn man einfach mal „abbiegt“. In einen dunklen Gang oder quer durch den Dschungel zu einem kleineren Tempel, der nicht minder beeindruckend ist.
Am Abend fahren wir auf den Night Market, wo überall auf den Straßen gekocht wird. Es lodert, brutzelt und zischt allerorten. Da wir kurz zuvor von Freunden, die sich um das Zeugnis und die Anmeldung an der weiterführenden Schule kümmern, Antonias Zeugnis übermittelt bekommen haben, darf sie sich zur Feier des Tages ein Restaurant aussuchen. Und was wählt Madame? – Das einzige französische Restaurant am Platz. Von wem sie diese Vorliebe wohl hat…
Den Mädchen gefällt Kambodscha, bzw. der kleine Ausschnitt von Kambodsch, den wir zu sehen bekommen, sehr gut. Das mag an den netten Menschen liegen. Auch unsere Guesthouse-Besitzerin ist so warmherzig und sympathisch, dass sie den Kindern jeden Tag ein Kaltgetränk oder Knabberkram hinstellt, außerdem Spielzeuge besorgt und immer die Nähe sucht, um mit uns zu plaudern. Am Ende umarmen wir uns und bedauern wirklich aufrichtig, sie, Reed, die nette Unterkunft und das Land verlassen zu müssen. Das mag auch daran liegen, dass sich auch hier alles draußen abspielt. An den Stehklos un manchmal undefinierbaren Gerüchen liegt es sicher nicht.
Afrika und Asien liegen nun hinter uns. Morgen geht es nach Sydney. In die westliche Welt, in eine Welt die wir kennen. Die Mädchen dürfen wieder jedes Eis essen und überhaupt alles worauf sie Lust haben. Sie dürfen nach Wochen der Enthaltsamkeit wieder Hunde streicheln. Mit Leitungswasser Zähne putzen. Im sitzen pinkeln. Im Restaurant Speisen die sie kennen undund mit Messer und Gabel essen (die Kambodschaner benutzen keine Messer), keine frei laufenden Hühner oder Ziegen beim Essen, keine Kühe auf der Straße und abruptes Abbremsen, keine Armut, keinen Dreck, keinen Müll mehr. Und?Freut uns das? Sind wir erleichtert? – Nein. Wir sind alle etwas wehmütig. Keine Buddhas mehr und Räucherstäbchen, keine Kühe, Elefanten und Ziegen auf der Straße, kein Haare waschen vorm Haus, keine Busse mehr gemeinsam anschieben, keine Mönche, keine Speisekarten und Speisen, die man nicht kennt und versteht und dann überrascht wird (im positiven und negativen…), keine…ach, ich höre auf. Bringt ja nix. Wir müssen weiter. Auf jeden Fall wird es ab sofort guten Kaffee geben. soviel ist gewiss. Aber ach….Und was sagen die Kinder? Sie winken nochmal aus dem Flugzeug: „tschüss Kambodscha!“ Es klang – fröhlich. Aber nicht erleichtert.
Wir fliegen also weiter, zum nächsten Teil unserer großen Reise. Das Wort Weltreise benutzen Frank und ich so gut wie nie, zumindest bisher nicht. Es klingt fast pervers angesichts der großen Armut die in den Ländern die wir bisher bereist haben. Wenn wir sagten, wir sind nur xy Tage vor Ort, weil wir noch etwas weiter reisen würden, herrschte schon Schweigen. Auf „noch weiter“ folgte die Frage der Einheimischen: „Wohin denn“ und wenn wir dann mal erwähnten, dass wir noch viele Länder bereisen oder sogar einmal um die Welt fliegen, kam ein Schrei, Ausruf, Erstarren. Aber auch ein ehrlich gemeintes Mitfreuen und ein tiefes Seufzen. Wir haben es also beide in unangesprochener Weise im stillen Einvernehmen vermieden, das Wort. Die meisten Menschen, die wir getroffen und kennen gelernt haben, haben noch nie ihr Dorf verlassen. wie soll man da erklären, dass man die Welt umrundet. Ab Australien können wir sicher offener sein.
Eigentlich dachten wir, dieser erste Teil der Reise, Afrika und anschließend Asien, mit sehr vielen Ortswechseln und immer wieder neuen Eindrücken, seien so anstrengend, dass wir danach nur noch den Liegestuhl wollen. (Und Australien im Campervan dann gerade recht kommt zur Erholung). Nun ist es aber so, dass wir ein bisschen wehmütig sind, Asien zu verlassen und uns quasi in die Komfortzone zu begeben. Sydney wird sicher großartig, ganz bestimmt, wir treffen dort auch Franks Onkel, und die Nationalparks auf dem Weg nach Brisbane sind sicher fantastisch, die Kängurus lustig anzuschauen, aber vor allem wohl danach die Natuerlebnisse und die Menschen (wie wir schon mehrfach gehört haben) in Neuseeland. In Australien und Neuseeland werden wir dann sicher wieder Deutsche treffen, bisher war das auf der gesamten Reise nur dreimal der Fall. Deutsche Laute hören, so dass Helen heute ihren Kopf reckte und ganz aufgregt sagte: „Ich habe Deutsche gehört!“
Tschüss Asien! Du hast uns so viel gegeben. Wir kommen wieder.
Der nächste große Teil der Reise beginnt. Same same. But different…
hallo ihr lieben, ist sehr schoen, dass alles in wort und bild mitzuverfolgen – und weckt viel eigene erinnerungen ans suedliche afrika und suedostasien. freue mich schon sehr viele weitere geschichten zu hoeren. ganz liebe gruesse an alle und bleibt gesund. xx daggi
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