Es gibt Gegenden in der Welt, die einem einfach keine Ruhe lassen, die einen packen und anfassen, eine Sehnsucht wecken und einen, mich zumindest, regelmäßig aufseufzen lassen, sobald man vor Ort die ersten Gerüche wahrnimmt, die Farben, die Geräusche.
Für mich – und mittlerweile auch für Frank – ist es die Provence.Wir hatten uns recht spontan entschlossen, dem vorzeitigen Herbst Hamburgs zu entfliehen, den Wintermänteln und Regenjacken, und sind vor ein paar Tagen hierher gefahren. Glücklicherweise haben wir vorher per Internet eine französische Familie kennen gelernt, die kurzfristig beschlossen, ihr Heim ebenfalls zu verlassen, um ihrerseits in Urlaub zu fahren. Und so wohnen wir also in dem Haus von Sophie und Olivier nebst Kindern, die uns nicht nur ihr Haus, sondern auch die Tischtennisplatte, den Grillplatz, die Betten und ihre Katze überlassen haben.
Die Mädchen freuen sich vor allem über Letzteres, zumal auch der Nachbarshund ab und zu vorbeikommt und sich streicheln und bespielen lässt, während wir Eltern uns berauschen an den Farben und Gerüchen und unseren Mädchen immer wieder zurufen: „Seht Ihr, wie tiefblau der Himmel hier ist? Und die Zikaden. Hört Ihr die Zikaden?“ Ja, die Mädchen hören und sehen das auch, aber noch mehr lieben sie das Blau und Türkis des Wassers der Calanques, der Felsenbchten, die sich westlich und östlich von Marseille befinden. Und einfach magisch sind.
Nicht nur, weil sie zum Teil schwer erreichbar sind, ohne eine kleine Wanderung kommt man eben nicht die Felsen runter, sondern weil die Stimmung dort so sommerlich leicht ist wie in einem französischen Film. Frauen stehen im Wasser, quatschen und gestikulieren angeregt. Junge Männer dösen auf Felsen liegend in der Sonne. Andere, mit Strohhut und in weißem Hemd und Espadrilles, sitzen im Schatten und lesen Zeitung. Zwei Typen springen hoch oben, von anderen laut beklatscht, von den Felsen. Und Helen – schwimmt. Ganz alleine vom Ufer bis hin zum Tau eines entfernt geankerten Bootes, um sich daran kurz festzuhalten, von dort dann weiter zu einem Felsen im Meer, auf dem ihre große Schwester wartet. Sie hat es sich quasi diesen Sommer alleine, nur mit Unterstützung von Antonia in der Ostsee beigebracht, jedesmal wenn wir in der Datsche und an unserer Stammbucht waren, auch bei eiskaltem Wasser ist sie eisenhart durch die Priele von „Insel“ zu „Insel“ geschwommen. Und jetzt stolz. auf sich und groß und stark wie Pippi. Und wir sind es auch.
Vor diesem Urlaub waren wir ein paar Tage in Berlin bei Freunden und wie immer war et jut in Bärlin! Hat großen Spaß gemacht und der Sommer war voll da. Helen schwamm das erste Mal ganz alleine in einem See. Während Antonia von Schauspielern mit „Hallo Kollegin!“ begrüßt wurde, weil sie für meinen GEO-Film über die Cook Islands den Auftrag hatte, zwei voice over zu sprechen.
Ich habe auch zwei „Rollen“ gesprochen, und es war eine schöne Erinnerung an die Hörfunkzeit als Reporterin und Nachrichtensprecherin bei NDR2. Antonia hat es prima gemacht und war genauso stolz wie Helen nach deren ersten Schwimmzügen im See. (Antonia hören – und den gesamten Film sehen – kann man übrigens am Sonntag, den 18. September um 13.00h auf Arte: 360° GEO „Cook Islands – Welcome to paradise„).
Das sind Momente, die glücklich machen. An die man sich erinnert später. „Weißt Du noch, als Du in Berlin das erste Mal ganz alleine im See geschwommen bist und in Südfrankreich im Meer, von Felsen zu Felsen?“ …Die Provence und Frankreich haben mich von Anbeginn fasziniert. Es ist nicht nur das Licht, die Luft, diese Düfte, die einen so satt machen und gleichzeitig gierig, dass man mehr davon haben will, der Lavendel, der Rosmarin, die Aprikosen, der Thymian, es ist vor allem das sündhaft gute Essen.
Wir haben hier erneut so gut (und günstig) gegessen, dass wir satt, zufrieden und träge am liebsten unterm Sternenhimmel zusammengesackt wären. (Der café gourmand, wie ihn nur die Franzosen zelebrieren, als Triumph, das Grande Finale eines fantastischen Mahles!). Anstatt aber irgendwo satt liegen zu bleiben, schleppten wir uns einen steilen Berg hoch, denn das Auto stand, wie in den Calanques üblich, oben, ganz oben, auf dem Felsen. Egal. Tant pis, würde der Franzose sagen. Das Schöne ist: hier im Süden Frankreichs, in der Provence, kann man nicht anders als irgendwie gleichmütig zu werden. Die Gelassenheit und Freundlichkeit, oder Gleichgültigkeit, der Menschen hier, die pfeifend hinterm Tresen stehen und den Rosé, Pastis oder café rüberreichen, der überträgt sich irgendwann.
Heute kam unsere Nachbarin vor und hat uns für morgen zu einer Bootstour eingeladen. Mit dem Schiff geht es ab Marseille vom alten Hafen aus zu einer großen internationalen Regatta. Sie und ihr Mann kommen auch mit. Und Frank ist ab sofort „Leduc“ und ich „Charlotte“, denn wir spielen heute ihre Kinder nebst Enkeln (Antonia und Helen), weil die eigenen Kinder der Nachbarn die Karten nicht nutzen können. Wir haben keinen blassen Schimmer, was uns erwartet, kommen aber natürlich mit! Ach überhaupt: die Südfranzosen. Eine Gattung für sich. Sie, die aus der Normandie kommt, meinte, erst als sie Peter Mayle und „Mon année en Provence“ gelesen habe, das erste Buch des englischen Bestsellerautors, habe sie verstanden, was es heißt, in Südfrankreich zu leben. Eine andere Welt sei die Provence! Völlig anders als der Norden oder die Mitte Frankreichs! Dass Franzosen erst das Buch eines englischen (!) Autors lesen müssen, um zu begreifen, wie ihre Landsleute so drauf sind, ist erstaunlich. Peter Mayle, besagten Bestsellerautor, haben wir heute ebenfalls verfolgt. Also, fast. Wir waren im Luberon, genauer, in dem bezaubernden Dorf Cucuron, einem meiner Lieblingsorte dieser Gegend, in dem schon viele Filme gedreht wurden und wo der Alltag dennoch gemächlich vonstatten geht, und in Loumarin, einem Bilderbuchort und von anderen Touristen ebenfalls heiß geliebt. (Dort steht allerdings auch Albert Camus Burg und Wohnsitz, vielleicht ist es das….) Und dort wohnte Peter Mayle; der hat Loumarin inzwischen auch wieder verlassen, seine Hütte für schlappe 6 (!) Millionen Euro verkauft – und ist ein Dorf weiter gezogen. Ohne Touristen. Noch.
Sechs Millionen habe ich leider nicht, auch nicht eine Million, um mir mal eben ein Häuschen in der Provence zu kaufen und dennoch träume ich davon, seitdem ich das erste Mal in Frankreich gelebt habe, ein paar Monate im Jahr hier leben zu können. Wenn die Mädchen größer sind. Es ist ein schöner Traum, Frank träumt mit – und wer weiß, irgendwann..
Oh, das hört sich ja herrlich an und ich bin ein ganz klein bisschen neidisch.
Noch eine tolle und genussvolle Zeit allen !
Helen, du kannst wirklich ganz stolz auf dich sein, toll das du so gut schwimmen kannst und das auch im Meer :-)
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