Nun sind wir bald vier Monate wieder hier, reisen aber immer noch: mittels Kopfkino. Reisen in Gedanken, durch die Erinnerungen, die vielen Bilderwelten und durch die spannende Anordnung von Buchstaben dank großartiger Autoren. Eine Freundin riet mir, vielleicht mal eine Liste mit den Reiseautoren in den Blog zu stellen, die ich gerade so parallel zu meiner Arbeit am eigenen Buch lese. Bis dato wusste ich nicht, dass man zehn Bücher gleichzeitig lesen kann, aber man kann. Mal hier reinlesen, dort ein zweites Mal lesen, blättern, sich in Szenen vertiefen. Ich zappe mich also durch Asien, dann wieder nach Neuseeland mit einer reisenden Familie, nach Bollywood und zurück nach Hamburg an meinen Schreibtisch. Im eigenen Schreiben haben wir gerade Indien verlassen und fliegen jetzt weiter nach Nepal. Ich blättere in meinen Notizen der Reise und frage immer wieder Frank, der sich oft an Situationen erinnert, die ich schon fast wieder vergessen habe. Und umgekehrt. Oder Situationen etwas anders wahrgenommen hat: den Katastrophenflug von Johhasnesburg nach Port Elisabeth zum Beispiel. Ich war im Geiste schon dreimal gestorben vor Angst, Frank hingegen die Ruhe selbst, während die Mädchen und ich seelenruhig auf dem Flug von Kathmandu nach Hanoi schliefen, während die Maschine von einem Luftloch ins andere fiel und Frank eine Reihe hinter uns schwitzte.
Durch das Schreiben am Buch und am Exposé für Dokumentationen in Ländern unserer Reise, das Leben und die Arbeit müssen ja weiter gehen, ist die Reise also noch nicht ganz beendet. Wahrscheinlich begleitet sie einen ein Leben lang. Antonia und Helen denken vor allem gerne an die Tiere zurück. An die Pinguine, Delfine, die große Walflosse, die aus dem Meer auftauchte, die schwimmenden Riesenschildkröten, die Babyelefanten, die Robben, die Giraffen, die Löwen, die Nashörner, die Krokodile, die Albatrosse… Und vor allem an die Pferde, vor allem an Jay Jay, Antonias Lieblingspferd aus Neuseeland. Damit die Erinnerung auch bei Antonia und Helen zurück geholt werden kann, habe ich ihnen ein kleines Fotobuch gebastelt. Darin natürlich vor allem: die Tiere. Aber auch Situationen, die wir vier als Familie erlebt haben. Und die Begegnungen mit anderen Menschen.
Als das Buch fertig war, fiel mir auf, darin taucht weder ein Campern auf noch irgendein anderes Fahrzeug. Ich habe die geliebten Tuk Tuks fast komplett vergessen! Also werde ich noch einmal ein Minibuch mit sämtlichen Fahrzeugen der Reise zusammen stellen. Das Tuk Tuk kommt dann noch mal ganz groß raus! Frank hat einige seiner Bilder, vor allem unsere Familienfotos, in einem sehr schönen Buch zusammen gefasst, das er mir geschenkt hat. Es ist schön, dieses Buch immer mal wieder zur Hand zu nehmen und darin zu blättern. Und wenn man die Bilder sieht, ist es fast unwirklich, dass wir das alles tatsächlich erlebt haben.
Es hat sich einiges verändert. Im Positiven. Aber darüber dann mehr im Buch. :-) ich will schließlich nicht alles vorweg nehmen. Freunde und Kollegen fragten mich, was denn zusätzlich ins Buch kommen soll, da ja im Blog schon viel über unsere Reise stehen würde. Doch, das geht, da passt noch viel rein, in so ein Buch. Viele Gedanken, aber auch Erlebnisse, die im Blog keinen Platz hatten. Und Metaebenen. Klingt immer so toll, aber das ist es, was so eine Reise mit einem macht: man denkt plötzlich in „Metaebenen“, übergeordnet. Ordnet neu, sortiert, denkt über Verganenes nach und beobachtet genauer die Gegenwart. Fest steht: es wird kein reines Reisebuch werden. Was genau es am Ende es dann ist….ich schreibe einfach erst einmal weiter …
Eine Zeitschrift fragte an, ob sie ein Interview machen und über das Buch berichten dürften. Das ist lustig, da es noch gar nicht geschrieben ist. Da ich so oft gefragt werde, wann das Buch denn erscheint: also, es dauert noch ein bisschen. Erst kommen och Hwebrbst, Winter, Frühjahr, Sommer und …dann. Denn zuerst muss ich es ja mal zu Ende schreiben, dann wird es lektoriert, danach, im Frühjahr, kommt die Grafik hinzu, die Auswahl der Fotos, der Titel usw. und dann erst geht es in den Druck. Anschließend wird es den Buchhändlern vorgestellt, und danach, im Herbst nächstes Jahr, kommt es auf den Markt. So der aktuelle Plan und soweit zum Buch.
Derweil kann man sich in andere Reiselektüre vertiefen, von Autoren, von denen einige mich ganz ganz oben in der Umlaufbahn kreisen und an denen ich absolut nicht klingeln kann. Mehr dazu am Ende dieser Zeilen.
Und dann habe ich coh eine Entdeckung gemacht. Ich habe alte Bilder meines Vaters wieder gefunden. Die hat er gemalt, nachdem er mit 27 Jahren meine Mutter geheiratet hatte. Er ist schon immer viel gereist und hat außerdem gefilmt und fotografiert. Dass er auch malte, daran erinnere ich mich nur noch vage. Ich hatte sämtliche Bilder nach dem Tod meiner Eltern mitgenommen. Zusammen mit Antonia habe ich die zwei schönsten rausgesucht und rahmen lassen. Sie werden jetzt ihren Platz in unserer Datsche finden.
Noch kurz etwas zu den Nazigesängen unseres einen Datschen-Nachbarn aus Meck-Pomm. Es gab kurz darauf nicht nur von uns, sondern auch von den anderen Nachbarn heftige Beschwerden, sie wollen so etwas ebenfalls nicht mehr hören. Und jetzt ist Ruhe. Das ist beruhigend und wir sind nach wie vor sehr oft und extrem gern in unserem Garten am Meer, bekommen viel Besuch, haben herrliche Momente dort verbracht und wissen jetzt, dass man auch zu acht in unserem kleinen Steinhaus pennen kann. Und dass eine Wasserschlacht mit Wasserrutsche und Gartenschlauch mehr Spaß machen kann als das Baden im Meer.
Was war noch? Ach ja, ich habe tatsächlich meine ersten Zuchinis geerntet, selbst gezogen und an die 70 cm lang. Stolz wie Bolle! Und Frank hat ungefähr 20 Kilo eigens hochgezogener Kartoffeln aus dem Boden geholt. Auf die Schulter klopf. Als nächstes kann ich meinen erste Kohlrabi ernten. Ok, drei sind es an der Zahl, genau genommen, aber jeder Bauer hat mal klein angefangen… Und die Dinger sehen tatsächlich aus wie Kohlrabi, vorher waren es kaum erkennbare Samen. Stehen immer noch staunend davor, vor dem Wunder Natur. Außerdem haben wir unzählige Brombeeren von den Büschen geholt und Frank Marmelade gekocht. Bra-vo! Gegenüber einer Weltreise ist das alles, nun ja, vergleichsweise umspektakulär, aber es erdet. Und sie tut ungemein gut, diese Arbeit im Garten und bringt einen zum Wesentlichen: zur Natur. Denn das war es auch, was uns auf der Weltreise so glücklich gemacht hat: die Erlebnisse in der Natur.
Und hier kommt meine private Betti-Reiseliteraturliste der Bücher, die ich gerade parallel lese und die ich empfehlen kann:
Allen voran, weil er so wunderbar zynisch und ehrlich und genau beobachtend schreibt, das Essay von
David Foster Wallace, „Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich“ (über eine Kreuzfahrt)
natürlich: sämtliche Bücher von Andreas Altmann, vor allem aber: „Gebrauchsanweisungen für die Welt“ (mag seinen Schreibstil, raus gerotzt, ehrlich, emotional)
Wolfgang Büscher, ganz besonders: „Asiatische Absencen„, aber auch der Klassiker: „“Berlin-Moskau“
Benjamin Prüfer, „Gebrauchsanweisung für Vietnam, Laos, Kambodscha“ (ha ich zweimal gelesen, das Buch stammt vo Autor von „same, same, but Different“, zu dem es auch einen Kinofilm gibt)
Anke Richter, „Was scheren mich die Schafe“ (die Journalistin lebt seit langem in NZ und beschreibt sehr humorvoll und mit selbstironischem Blick ihr Leben und die Menschen dort)
Ulrike von Bülow, „God morning New York“ (same same, wie bei Anke Richter, allerdings, lebt die Autorin in New York, äh, logisch…)
Judith Döker, „Judith goes to Bollywood“ (eine Schauspielerin reist in die idische Traumfabrik Bollywood)
Maike van den Boom, „Wo gehts denn hier zum Glück?“ (Reise durch die glücklichsten Länder der Welt)
Jan Kowalsky, „Als Schisser um die Welt, die Geschichte von einem. der mitmusste“ (sehr sehr lustig, großer Lesespaß)
Lars und Svenja Lilienthal, „In 50 Wochen um die Welt“ (sympathischer Reisebericht einer Familie, die ein Jahr um die Welt gereist ist)
Heike Praschel, „Weltenbummler“ (eine Familie reist mit einem eigens gebauten Campingbus mehrere Jahre in die entlegensten Ecken der Erde – faszinierend)
Alain de Botton, „Über die Kunst des Reisens“ (Schweizer Philosoph, der ebenfalls ein großartiges Buch über die Kunst des Liebens verfasst hat)
Meike Winnemuth, „Das große Los“ (ok, der Klassiker, kennt mittlerweile jeder, liest sich aber auch einfach gut)
Und nun, Trommelwirbel, mein absolutes Lieblingsbuch, das zwar nicht mit dem Thema Reisen zu tun hat aber mit dem Ankommen, mit der Flucht, mit der Hoffnung auf ein neues Leben, mit intellektuellen Paaren Kaliforniens, die politisch so korrekt sind und dann doch wieder nicht, mit den hellen und dunklen Seiten des Menschen, mit Vergebung und Verzeihen, mit Schuld und Hoffnung:
T.C. Boyle, „America“ (unfassbar gut! Vergisst man nie, dieses Buch und passt irgendwie zur heutigen Flüchtingsthematik)
Und irgendwann: Bettina Pohlmann, ha ha, kleiner Scherz. Ich setz mich jetzt also schön wieder auf den Hosenboden und arbeite mal weiter, schraube an den Sätzen… Damit tatsächlich irgendwann mal ein wie auch immer geartetes, aber hoffentlich zumindest einigermaßen lesbares Buch draus wird.