Das neue Jahr ist ja schon einen Monat alt, und nun ja, es ist Winter. Kaum hat man die Nachttischlampe ausgeknipst und den Vorhang aufgezogen, um in ein durchwölktes Grau zu glotzen, knipst man das Licht auch schon wieder an, weil das Grau zu schwarz mutiert. Doch manchmal passiert ein sehr seltenes Phänomen im Norden Deutschlands, und als Hamburger traut man seinen Augen kaum, denn man sieht Licht! Und so was wie Farbe. Der Himmel wirkt wie ausgetauscht und ist blau angepinselt. Irgend etwas blendet. Ah, da war doch was. Das Ding heißt Sonne. Also nichts wie raus aus der Stadt und ran ans Meer! Und wo kann man diese lichten Moment besser erleben als an der Nordsee! St. Peter Ording war schon immer unser Lieblingsziel am Wochenende, bevor wir die Datsche an der Ostsee hatten. Zumal die noch im Winterschlaf vor sich hindrömelt.
Und was ist im Winter und im Schneegriesel besser, als sich der Kultur ehinzugeben? Und der Geburt eines neues Gebäudes? Genau. Deshalb radelte ich kurz nach dem Jahreswechsel in die Elbphilharmonie und durfte dabei zusehen, wie die Tänzer von Sasha Walz das Gebäude zum Leben erweckten. Sie betanzten fast alle Räume, und man selbst, als Zuschauer, folgte ihnen fasziniert. Es war ein unvergesslicher Abend. Vor allem das Stück von John Cage, 4’33. (Wer es nicht kennt – am besten mal googeln. Ich gebe zu, ich kannte es – nicht). Großartiger Abend!
Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit. Man kann es ja mal umdrehen…Obwohl in diesem Fall die Arbeit auch eine reine Freude war, denn ich durfte mit Menschen drehen, die für die Musik leben, und Menschen, die für etwas brennen, die sich mit Leidenschaft reinstürzen in eine Sache, lassen bei mir die Assoziation mit dem Wort „Arbeit“ gar nicht erst zu. Für den NDR drehe ich in einer Langzeitbeobachtung junge Musiker der „Young ClassX“, die im MJO (dem „Mendelssohn Jugend Orchester“ ) spielen und, obwohl (oder vielleicht auch gerade weil ?) sie oft aus sozial schwierigen, und Musik-fernen Familien stammen, geben sie alles für diese Momente des Übens, Probens und der Konzerte. Sowohl der Unterricht als auch die Instrumente sind gesponsert, und es ist eine wahre Freude zu beobachten, welch starken Einfluss die Musik auf diese jungen Menschen hat. Nicht zuletzt dank des Orchesterleiters Clemens Malich, der seine Truppe mit liebevoller Strenge mitreißend führt.
Und somit war das MJO das erste Jugendorchester, das in der Elbphilharmonie gespielt hat. Das Ergebnis kann man am 6. März in der „nordreportage“ sehen. Noch einmal zum Thema „Arbeit“ und „Leidenschaft“: Als wir kurz vor dem Konzert nach dem Soundcheck unsere Technik (Kameras, Mikros, Stative etc.) die Ränge hochschleppten, um unsere Postionen zu beziehen, sagte ein Zuschauer laut zu seiner Frau: „Was für ein Job!“ Das war, da sind wir uns einig, nicht positiv gemeint. Ralf, mein Kameramann, meinte nur: „Genau. Was für ein Job. Großartig. Großartig, das hier so nah miterleben zu dürfen!“ (Ok, großartig ist es tatsächlich oft, aber natürlich nicht immer, aber in dem Fall stimmte es). Da schleppe ich gerne mal ein Stativ, wenn ich solche Menschen begleiten darf und hinter die Kulissen blicken, zum Beispiel in die Garderoben…
Mit den Mädels war ich dann auch noch in der Elphi, bei – ha, geht doch – strahlendem Wetter, und sie fanden’s toll. Antonia geht als nächstes mit ihrer Klasse ebenfalls dorthin und doch, ich gebe zu, wir sind Fans.
Und weil wir nicht genug Hafencity haben konnten, waren wir dann auch noch am Braakehafen und im Lohsepark. Hamburg erinnert plötzlich an Berlin – an dieser Stelle zumindest. Es wird gebaut, überall, und direkt am Wasser. Und ich, die ich eine Hassliebe zu dieser Stadt habe, kann in dem Moment nur nicken. Doch, gut. Weiter so. Könnte was werden. Und Wohnungen werden ja immer gebraucht, solange sie nicht durchweg 16€ kalt pro qm kosten…
Zum Schluss, um irgendwie noch den Bogen zu Buch und Welt und Reise zu bekommen…noch eine news zum Buch: Es gibt demnächst Lesungen in Berlin (am 4.3.) und in Hambuuuurch. Jene in meiner Heimatstadt dauert noch ein wenig, dafür wird sie auch etwas größer sein und mit Essen und allem pi pa po. Und dann noch zwei Buchtipps: Ein Buch, das ich gerade gelesen habe und fan-tas-tisch fand, weil es die Probleme unserer Generation (naja, die Protagonisten im Buch sind etwas jünger, verliere ihre Jobs und haben Angst, im Prekariat zu landen…ich konnte mich durchaus wieder erkennen, vor allem bei der männlichen Figur), vor allem auch, weil die Handlung dieses Buches in Eimsbüttel spielt, also unserem Stadtteil , in der auch Kristine Bilkau, die Autorin liebt, und es heißt: „Die Glücklichen„. Das andere Buch sollte vielleicht Dagobert, äh, Donald mal lesen, es handelt von New York und seiner Entstehung (von Edward Rutherford): „Im Rausch der Freiheit„. Ein faszinierendes Mehr-Generationen-Portrait! Ausreichend Seiten, um aus den dunklen Wintertagen in ferne Leben und Welten abzutauchen – falls man sich nicht gerade der Musik bei einem Konzert in Hamburgs neuem Wahrzeichen hingibt und vorher schnell noch die von Hand geblasenen Lämpchen zählt. Und wenn dann doch mal wieder die Sonne rauskommt, gibt es ja noch das Meer links und rechts. Also, Winter, geht doch, wir schaffen dich schon.